März 29, 2024

Kolumne vom 16.04.2018

Kolumne vom 16.04.2018 – Nr.504 


Melodie Winawer

daumen rauf

Die Liebenden von Siena

Die Liebenden von Siena

Das Leben der Neurochirurgin Beatrice Trovato besteht fast nur aus ihrer Arbeit. Als ihr Bruder stirbt, fliegt sie nach Siena um seinen Nachlass zu ordnen. Auf einem Kirchenfresko des berühmten Malers Accorsi aus dem 14. Jahrhundert entdeckt sie sich selbst – wie ist das möglich? Tags darauf erwacht sie im mittelalterlichen Siena. Für die Ärztin ist es ein Schock: spielt ihr das Gedächtnis einen Streich? Erst langsam findet Beatrice sich in der neuen Zeit zurecht und öffnet ihr Herz für die ursprüngliche Schönheit des mittelalterlichen Lebens. Als sie Accorsi kennenlernt, verliebt sie sich unsterblich in ihn. Aber mit Ausbruch der Pest ist nicht nur ihr Leben, sondern auch die Existenz von Siena bedroht, und Beatrice muss sich entscheiden, in welches Jahrhundert sie gehört.

Ein Zeitreise-Roman der besonderen Art! Eine starke weibliche Hauptfigur trifft hier auf eine gute Geschichte in einer außergewöhnlichen Zeit und Epoche. Die Amerikanerin Melodie Winawer erfüllt sich mit ihrem ersten Roman wohl auch einen Traum. Sie ist Professorin für Neurologie an der Columbia-Universität in New York, sie spricht Italienisch und reist am liebsten nach Italien. Somit hat sie alles, was sie aus ihrem Leben kennt und was ihr wichtig ist, in diesen Roman gepackt. Und man merkt dem Buch die Kenntnisse seiner Autorin an. Es ist vollgepackt mit interessanten Aspekten und mit viel Liebe zum Detail geschrieben. Melodie Winawer lebt ihre Geschichte. Den Leser freut es, solch einen stilvollen Zeitreise-Roman in Händen zu halten. Sie werden sich in „Die Liebenden von Siena“ verlieben!

List, 527 Seiten; 16,00 Euro


Wimmer Wilkenloh

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Teufelsintervall

Teufelsintervall

Der vermeintliche Unfalltod des Kommando-Soldaten Gerd Lutze wird von einem Erfolgsregisseur als Spielfilm umgesetzt. Merkwürdige Vorfälle während der Dreharbeiten sollen von Jan Swensen und seinen Kollegen von der Husumer Kriminalpolizei aufgeklärt werden. Im Filmteam wird von Verschwörung gesprochen, doch erst als ein Mord geschieht, wird auch wirklich ermittelt. Aber was hat das alles mit dem Deutschtürken Gülcan Bayar aus Husum zu tun, der von den USA als Terrorist nach Guantanamo verschleppt wurde? Und was macht der Autor Wimmer Wilkenloh in seinem eigenen Roman? Findet sich eine Antwort in dem Film, dessen brisante Story bis ins Kanzleramt zu Frank-Walter Steinmeier führt?

„Teufelsintervall“ ist der siebte und letzte Fall für Jan Swensen und seine Kollegen. Die Geschichte hört sich spannend an, aber auch etwas abstrus, wenn der Autor selbst ein Teil seines eigenen Kriminalromans wird. Ich ließ mich auf die Geschichte ein, und wurde sehr schnell enttäuscht. Die Story an sich ist ganz gut, aber die Umsetzung schlittert sehr oft an der Katastrophe entlang. Wimmer Wilkenloh verliert sich in so viel Unwichtigem und ebenso vielen Nebensächlichkeiten, dass einem schwindelig wird. Um einen spannenden und ausgewogenen Kriminalroman mit 600 Seiten schreiben zu können muss man ein sehr guter Autor sein. Das ist Wimmer Wilkenloh nicht. Denn von den 600 Seiten sind gut 250 Seiten absolut belanglos für den Kern der Geschichte.

Gmeiner, 600 Seiten; 15,00 Euro


Arthur Isarin

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Blasse Helden

Blasse HeldenDer romantische Deutsche Anton zieht zu Beginn der 1990er Jahre nach Moskau. Hier hofft er jene Leichtigkeit und Freiheit zu finden, die er im Westen vermisst. Engagiert wird der 32-Jährige Deutsche von einem Rohstoffhändler, der für seine riskanten Geschäfte in der rapide zerfallenden Sowjetunion einen zuverlässigen Mann sucht. Anton hat keine politische Haltung, stellt keine moralischen Fragen und beherrscht die Kunst lässig-dionysischen Gleitens. Es verlangt ihn nach schönen Frauen, der hohen Kultur und, natürlich, Geld. Schnell erhält Anton Zugang zu den neuen Eliten des Landes. Er lässt sich treiben und führt als „blasser Held“ ein bizarres Leben unter kultivierten Banditen, Künstlern, Geheimdienstleuten, Betrügern, korrupten Unternehmern, Kokotten und mittellosen Schönheiten.

Wollen Sie das Lebensgefühl des Russlands der wilden 1990er Jahre erleben? Dann lesen Sie „Blasse Helden“! Arthur Isarins Helden sind desillosiniert, kreativ, liebenswert, aber auch hart, cool und fragwürdig. Hier finden sich alle. Anton selbst ist, ja, ein Gleiter. Er kommt klar mit denen, die ihm begegnen. Arthur Isarins Dialoge sind pointioniert und stecken voller Klarheit und Leben. Alleine durch die Dialoge lernt man das Russland von damals kennen. Er kommt immer gleich zur Sache, schreibt nicht lange drumherum. So entwickelt die faszinierende und ereignisreiche Geschichte einen unglaublichen Sog. Man wird ein Teil vom 1990er-Russland.

Knaus, 318 Seiten; 22,00 Euro


Lisa Jackson

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You will pay – Tödliche Botschaft

You will pay Tödliche BotschaftCamp Horseshoe, Oregon: Vor zwanzig Jahren arbeitete eine Gruppe von Jugendlichen als Betreuer in einem Ferienlager. Nachts, wenn ihre Schützlinge im Bett lagen, schlichen sie sich aus ihren Hütten, hatten Sex, feierten wilde Partys mit Alkohol und Drogen, spannen Intrigen – bis etwas gründlich schief ging und zwei von ihnen spurlos verschwanden. Die polizeilichen Ermittlungen dazu liefen ins Leere, die Akte wurde geschlossen. Heute, zwei Jahrzehnte später, tauchen Knochen auf dem Grundstück des Feriencamps auf. Detective Lucas Dalton, einer der damaligen Betreuer, möchte den Fall erneut aufrollen.

Die amerikanische Thriller-Queen Lisa Jackson lässt das Herz ihrer Leser wieder rasen! „You will pay“ ist ein durchdachter Thriller mit einer fesselnden Story. Ich finde diese Art von Geschichten, Geheimnisse aus der Jungendzeit, die dann im Heute ihre düsteren Schatten aufziehen lassen, sehr prickelnd. Lisa Jackson beschert dem Leser spannende Lesestunden!

Knaur, 525 Seiten; 14,99 Euro


Walt Whitman

Der schöne Mann

Der schöne Mann

Männer denken einfach zu viel. Und sie lassen sich immer wieder einreden, Schönheit wäre eine Sache der Frauen, reine Haut, leichtfüßige Bewegungen, eine klangvolle Stimme. Walt Whitman, Begründer der modernen amerikanischen Dichtung, kannte die Wahrheit. Mit „Der schöne Mann“ schrieb er eine Hymne auf den männlichen Körper und einen Leitfaden, wie man seine Möglichkeiten voll ausschöpft. Das reicht von einer reinen Fleischdiät über das Rezitieren von Gedichten im Freien und sorgloses Tanzen bis zu Bare Knuckle Fights.

„Der schöne Mann“ erschien 1858 in dreizehn wöchentlichen Kolumnen im „New York Atlas“ und war 150 Jahre lang verschollen. Die Liebhaber von Walt Whiteman (1819 – 1892) werden jubeln, endlich dieses Buch in einer deutschen Ausgabe in Händen zu halten. Der Ratgeber für den Mann regt auf nicht wenigen Seiten zum schmunzeln an, in 150 Jahren hat sich doch so einiges verändert. Doch für jeden männlichen Leser ist dieses Buch ein echter „Hingucker“! Lesen und staunen, was Walt Whitemann vor eineinhalb Jahrhunderten aufschrieb, wie der normale Mann zu einem schönen Mann wird.

dtv, 279 Seiten; 18,00 Euro


Hörbuch der Woche

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Cixin Liu

Der dunkle Wald

Der dunkle Wald

Der erste Kontakt mit einer außerirdischen Spezies hat die Menschheit in eine Krise gestürzt, denn die fremde Zivilisation hat sich Zugang zu jeglicher menschlichen Informationstechnologie verschafft. Der einzige Informationsspeicher, der noch vor den Aliens geschützt ist, ist das menschliche Gehirn, weshalb das „Wallfacer-Projekt“ ins Leben gerufen wird. Vier Wissenschaftler sollen die ultimative Verteidigungsstrategie gegen die Aliens ausarbeiten – doch können sie einander trauen?

Nach dem sensationellen Besteller „Die drei Sonnen“ ist „Der dunkle Wald“ der zweite Teil der „Trisolaris“-Trilogie. Spektakulär! Großartig! Die „Trisolaris“-Trilogie ist Science-Fiction für Fortgeschrittene! Wer hier gewohnte Muster des Genres erwartet, der wird sich wundern, denn er findet sie nicht. Der Chinese Cixin Liu hat hier etwas ganz Neues erschaffen, was man in dieser Qualität in diesem Genre nicht allzu oft zu lesen und zu hören bekommt. Gelesen wird dieses großartige Genre-Werk von Mark Bremer. Ein großartiger Geschichtenerzähler. Es passt also perfekt zusammen – Geschichte und Sprecher. Zudem liegt das Hörbuch in der ungekürzten Fassung vor. „Die drei Sonnen“ sind derweil als Hörspiel erschienen. Random House Audio hat den Fans und Zuhörern damit ein großes Geschenk bereitet. Als Sprecher mit dabei sind Falk Rockstroh, Boris Jacoby, Mareike Hein, Roman Knizka, Robert Gallinowski, Mark Oliver Bögel, Katharina Schmalenberg, u. v. a.. Hörprobe

Der dunkle Wald cover

Auch als Paperback erhältlich bei Heyne, 16,99 Euro.

Random House Audio, 3 MP3 CDs, 1.315 Minuten; 16,99 Euro


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