März 29, 2024

Kolumne vom 30.10.2017

Kolumne vom 30.10.2017 – Nr.480


Malin Persson Giolito

daumen rauf

Im Traum kannst du nicht lügen

Im Traum kannst du nicht lügen

Stockholm: Nach einem Blutbad an einem Gymnasium steht die achtzehnjährige Maja vor Gericht. Sie hat geschossen, und unter den Toten sind ihre beste Freundin Amanda, ihr Freund Sebastian und der Lehrer Christer. Wie konnte es dazu kommen, dass dieses einstmals so beliebte Mädchen zur meistgehassten Person Schwedens wurde? Und ist sie überhaupt eine Mörderin? Nach Monaten in Untersuchungshaft kommt es endlich zum aufsehenerregenden Prozess. Dort soll sich nun klären, ob Maja Täterin oder vielleicht doch Opfer ist.

Die Heldin des Romans ist faszinierend! Maja hat eine schnoddrige Stimme, die so eigentlich gar nicht zu dem passt, was geschehen ist, oder sein soll. Aber genau das macht es aus. Die Diskrepanz hebt diesen Schulamokroman, von denen es ja schon so einige auf dem Markt gibt, von den anderen ab. Die Schwedin Malin Persson Giolito hat die Geschichte geschickt und undurchsichtig aufgebaut, so dass die Seiten vor Spannung vibrieren. Man erfährt alles von Maja, da sie die Erzählerin der Geschichte ist. Die Autorin hat Maja, aber auch die anderen Figuren, wie Sebastian, gut gezeichnet. So kann man nach und nach die für Sebastian unvermeidliche Tat kommen sehen. „Im Traum kannst du nicht lügen“ ist ein Spannungs-Highlight mit einer unvergesslichen „Heldin“! In Schweden war der Roman ein Nr.1-Bestseller und erhielt 2017 den Nordischen Krimipreis.

Lübbe, 461 Seiten; 16,00 Euro


Ingo Schulze

daumen runter

Peter Holtz: Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst

Peter Holtz Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst

Peter Holtz will das Glück für alle. Schon als Kind praktiziert er die Abschaffung des Geldes, erfindet den Punk aus dem Geist des Arbeiterliedes und bekehrt sich zum Christentum. Als CDU-Mitglied (Ost) kämpft er für eine christlich-kommunistische Demokratie. Doch er wundert sich: Der Lauf der Welt widerspricht aller Logik. Seine Selbstlosigkeit belohnt die Marktwirtschaft mit Reichtum. Hat er sich für das Falsche eingesetzt? Oder für das Richtige, aber auf dem falschen Weg? Und vor allem: Wie wird er das Geld mit Anstand wieder los? Peter Holtz nimmt die Verheißungen des Kapitalismus beim Wort.

Ingo Schulzes neuer Roman „Peter Holtz – Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“ wird einerseits gefeiert, und anderseits schüttelt man den Kopf über dieses Werk. Ich gehöre zu denen, die eher den Kopf schütteln, als dieses Buch zu feiern. Ingo Schulz fängt sehr vielversprechend an. Man amüsiert sich und die Geschichte nimmt einen mit. Man denkt, wenn das so weitergeht, dann schlägt man das Buch am Ende betrübt zu, weil es denn schon zu Ende ist. Aber es geht nicht so weiter. Es wird nach dem guten Anfang immer langweiliger und öder. Viel leeres Blabla was die Geschichte weder voranbringt noch in irgendeiner Form spannend ist. Ingo Schulze hat sich in sein eigenes Schreiben verliebt, und verliert den Leser vollkommen aus den Augen. Bei der letzten Seite angekommen ist man dann sogar froh, dass es endlich zu Ende ist. Glücklich lässt einen dieser Roman nicht zurück.

S. Fischer, 487 Seiten; 22,00 Euro


Jessica Schulte am Hülse

daumen rauf

Verrat

Jessica Schulte am Hülse VerratDieses Buch erzählt vom kleinen und großen Drama der Liebe. Gemein ist den Erzählungen ein Verrat, der die Liebe zwischen zwei Menschen oder das Verhältnis zwischen zwei Menschen beschädigt, belastet, zerstört. Am Ende jeder Geschichte stehen die Menschen traumatisiert oder auch befreit vor den Scherben dessen, was einmal Vertrauen, Geborgenheit, Freude und tiefe Liebe war. Mal kommt die Unwahrheit auf leisen Sohlen, mal brutal und unfair mit großen Schritten, mal finden die Verratenen einen Weg aus dem Drama, mal zerbrechen sie an der Heftigkeit des Erlebens und können sich nur durch radikale Schnitte aus dem Tumult und der Verstrickung befreien.

Ein absolut faszinierendes Buch über die Liebe und was sie mit den Menschen macht! Jessica Schulte am Hülse arbeitet bei einer großen Bild- und Nachrichtenagentur und ist keine Autorin, obwohl sie auch noch als Journalistin arbeitet. Das merkt man ihrem Text schnell an. Sie beschränkt sich bei allen Erzählungen nur auf den Kern, das Liebesdrama. Sie schreibt kurze Sätze, schmückt nichts aus, vertieft die Figuren und ihr Umfeld nicht. Das alles wäre normal ein K.O.-Kriterium für ein Buch, aber die Autorin überzeugt mit ihren sieben wahren Geschichten eben dadurch, dass man an ihnen in kurzer Form die Liebe in all ihren Zügen kennenlernt – von der ersten großen Verliebtheit, über das Schmieden gemeinsamer Lebenspläne, bis hin zum Untergang der Liebe. Jede Geschichte lässt einen nachdenklich oder gar mit einem Kloß im Hals zurück. Und jede der sieben Erzählungen ist so gut, dass man daraus auch sieben spannende und dramatische Romane hätte machen können.

Blessing, 254 Seiten; 19,99 Euro


Agnes Krup

daumen rauf

Mit der Flut

Mit der Flut Paul ist fast noch ein Junge, als er alles hinter sich lässt und zu einem neuen Leben nach New York aufbricht. Dort findet er, was ihm bei seiner Familie in Finkenwerder unmöglich war: eine gute Schulbildung, eine Anstellung und alle Chancen, etwas aus sich zu machen. Als er Antonina begegnet, scheint sein Leben perfekt. Aber Paul hat einen Traum: Er möchte Arzt werden und nur in Deutschland kann er sich diesen Wunsch erfüllen. Ein zweites Mal wagt er einen Neuanfang – und kommt im Jahr 1937 in ein Land, das er kaum wiedererkennt. Je länger er dort bleibt, desto unüberwindlicher werden die Grenzen zwischen seinem neuen und seinem alten Leben. Doch Antonina ist entschlossen und nicht bereit, Paul aufzugeben…

„Mit der Flut“ ist eine Geschichte, die einen von Anfang an mitreißt! Agnes Krup, die in Finkenwerder geboren wurde und seit 1994 in New York lebt, ist mit ihrem ersten Roman gleich ein echtes Lese-Highlight gelungen. Die Geschichte von Paul und Antonia in dieser so aufwühlenden und bewegenden Zeit lässt einen nicht mehr los. Von 1923 bis 1969 erfährt man die Zeit vor, während und nach dem Krieg.

 krup mit der flut hoerbuch
Auch als Hörbuch erhältlich bei Osterwold Audio. Die deutsche weibliche Thriller-Stimme Nina Petri schlägt hier mal leisere Töne an. Sie zeigt, dass sie auch großes Drama kann. 19,99 Euro. Hörprobe zum Download

Piper, 540 Seiten; 22,00 Euro


John Burnside

daumen rauf

Ashland & Vine

Ashland Vine

Saint Louis, Missouri, 1935: Mit dem Mord an ihrem Vater endet jäh die behütete Kindheit der achtjährigen Jean und ihres Bruders Jem. In der Lebensgeschichte der beiden Geschwister spiegeln sich die politischen Entwicklungen, die in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts Amerika tief gespalten haben: von der Kommunistenhatz der McCarthy-Ära über die erstarkende Bürgerrechtsbewegung zur Black Panther Party, Vietnam und dem Kalten Krieg. Als der Traum von einer gerechten Welt in immer weitere Ferne rückt, zieht sich Jean Louise in die Einsamkeit zurück. Bis Jahrzehnte später die junge, alkoholabhängige Kate vor ihrer Tür steht und ihre Hilfe braucht.

John Burnside zeigt in „Ashland & Vine“ die Seele Amerikas! Was macht dieses Land aus, damals und heute. Aber in Brunsides neuem Roman spielen auch die zwei sehr gut ausgearbeiteten Frauenfiguren, aus ganz unterschiedlichen Generationen, eine tragende Rolle. In Amerika gibt es ja welche, die denken, Hitler lebt noch. So gibt es aber auch welche, die denken, das Kennedy-Attentat wäre ein Film. Ein Zitat aus dem Buch: „Ein Typ hatte ihn sogar gefragt, wer JFK im Film gespielt hatte, nicht im Remake (der Film mit Kevin Costner), sondern im Original.“ Nur ein Satz in dem Buch, den man garantiert nicht vergessen wird.

Knaus, 411 Seiten; 24,00 Euro


Hörbuch der Woche

daumen rauf

Lucinda Riley

Der verbotene Liebesbrief

Der verbotene Liebesbrief mp3

Als der berühmte Schauspieler Sir James Harrison in London stirbt, trauert das ganze Land. Die junge Journalistin Joanna Haslam soll in der Presse von dem großen Ereignis berichten und wohnt der Trauerfeier bei. Wenig später erhält sie von einer alten Dame, die ihr dort begegnet ist, einen Umschlag mit alten Dokumenten – darunter auch einen Liebesbrief voller mysteriöser Andeutungen. Doch wer waren die beiden Liebenden, und in welch dramatischen Umständen waren sie miteinander verstrickt? Joannas Neugier ist geweckt, und sie beginnt zu recherchieren. Noch kann sie nicht ahnen, dass sie sich damit auf eine Mission begibt, die nicht nur äußerst gefährlich ist, sondern auch ihr Herz in Aufruhr versetzt – denn Marcus Harrison, der Enkel von Sir James Harrison, ist ein ebenso charismatischer wie undurchschaubarer Mann …

Lucinda Rileys ältere Romane kommen nach und nach überarbeitet neu bei Goldmann heraus. Der Hörverlag liefert die Hörbücher dazu. Das neueste alte ist „Der verbotene Liebesbrief“. Er wurde das erste Mal im Jahr 2000 unter dem Pseudonym Lucinda Edmonds veröffentlicht und spielt in den 1990ern. Ein Roman, der wieder sehr verschlungen ist, wie man das von Lucinda Riley kennt, der sich aber zum richtigen Kriminalroman wandelt, und zudem zwei Liebesgeschichten enthält. Eine sehr spannende Geschichte mit einprägsamen Figuren, deren Handeln man meist gut nachvollziehen kann. Gelesen wird der Roman von Lucinda-Rileys-Stammvorleserin Simone Kabst. Wie immer transportiert sie mit ihrer Stimme Drama und Spannung perfekt ins Ohr des Hörers. Hörprobe

Der verbotene Liebesbrief

 

Auch als Taschenbuch erhältlich bei Goldmann, 10,99 Euro.

Der Hörverlag, 2 MP3 CDs, 837 Minuten; 14,99 Euro


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